Eines Tages legte ein gewisser Josef Nickerl, ehemaliger Patissier im berühmten Karlsbader “Hotel Pupp”, glänzende Zeugnisse vor und verfeinerte zum Einstand ein mitgebrachtes Rezept: die berühmten “Ischler Oblaten” waren entstanden.
Durch den großen Erfolg der Oblaten entstand ein Problem. Natürlich entsprachen nicht alle Oblaten den strengen Maßstäben, die bei Zauner angelegt wurden. Manche waren ungleichmäßig in der Farbe oder ein wenig verzogen oder zerbrochen. Sollte man diesen Oblatenbruch, der von Geschmack und Zusammensetzung her tadellos war, einfach wegwerfen?
Dem ökonomischen Nickerl ging das gegen den Strich. Er zerkleinerte die Oblatenreste, vermischte sie mit einer nougatartigen Haselnuss – Schokolade – Masse und formte daraus kleine Makronen, die vor allem für den Verkauf an Kinder gedacht waren. Schon bald war die Bitte:
“Für einen Kreuzer Nickerl-Batz!”…
… so hatten die Kinder die neue Leckerei getauft – die am häufigsten gehörte Bestellung in der Konditorei. Und sonderbarerweise wurde dieser Nickerl-Batz von Erwachsenen – Einheimischen und Fremden – genauso gern gekauft wie von Kindern.
Die große Nachfrage ließ Viktor Zauner stutzig werden. Und wieder begab er sich mit Nickerl in Backküchen-Klausur. Sie mischten und schmeckten ab, ergänzten und ließen weg, machten versuchsweise Törtchen und Kugeln und Rollen. Aber sie waren noch nicht zufrieden. Der Geschmack, die Konsistenz, das Zerschmelzen auf der Zunge – einmalig! Doch die Anbietform gefiel ihnen nicht.
Eines Tages pressten sie die Masse in eine längliche Kuchenform, ließen sie trocknen, schnitten sie dann in fingerdicke Scheiben. Das ging tadellos. Ohne Ausbrechen, ohne Zerbröseln. Viktor ließ ein Stück im Mund zergehen. Und begann zu schmunzeln. “Jetzt haben wir´s!”, lachte er und schlug Nickerl auf die Schulter.
Der schüttelte nachdenklich den Kopf. “Noch nicht ganz, Herr Chef!” sagte er. “Mir fehlt noch was … vielleicht … wie wär´s, wenn wir das Ganze mit Schokolade überziehen? Ich meine, mit einer zarten, leicht schmelzenden Schokoladeglasur?”
Viktor Zauner wurde ernst. Nickte. “Sehr gut”, stimmte er zu. “Genau das machen wir.”
So enstand – 1905 – der “Zaunerstollen”, diese einmalige Köstlichkeit, die – oft kopiert, doch nie erreicht – einen Siegeszug um die Welt antrat und zu einem delikaten Symbol für Ischl und die österreichische Konditorkunst wurde.